Interview mit Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann MdB

Bild (oben): Marie-Agnes Strack-Zimmermann bei den ILA-Fachbesuchertagen.

Bild: Christoph Liesen

 

Unser Mitglied Christoph Liesen  (Kreisverband Unna) hatte die spannende Gelegenheit die Sprecherin für Verteidigungspolitik der FDP-Bundestagsfraktion zu interviewen:

 

  • Guten Tag Frau Dr. Strack-Zimmermann, mit Blick auf Frankreichs Atomwaffen: Bis wann sehen Sie eine EU-Armee in welcher Form?

Wir gehen gerade mit der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (SSZ/PESCO) die ersten Schritte hin zu einer europäischen Armee. Dieser Anfang ist wichtig, wenn wir als Europäer in der Sicherheitspolitik handlungsfähig werden wollen. Außerdem gibt es bereits erste EU-geführte Missionen, an denen sich auch Deutschland beteiligt. In den Plänen zum neuen EU-Haushalt sind auch Mittel für eine gemeinsame europäische Beschaffung vorgesehen. In Punkten wie der strategischen Kultur und auch sprachlichen Unterschieden sind wir jedoch noch ein ganzes Stück von einer europäischen Armee entfernt. Entscheidend ist meiner Meinung nach nicht, ob es am Ende eine „europäische Armee“ oder eine „Armee der Europäer“ gibt, sondern das dieses Konstrukt funktioniert und die Europäische Union auch in der Verteidigungspolitik handlungsfähig ist. Der Parlamentsvorbehalt als solcher darf dazu jedoch nicht angetastet werden. Die Entscheidung, ob deutsche Soldatinnen und Soldaten in einen bewaffneten Auslandseinsatz gesandt werden, muss weiter dem Deutschen Bundestag obliegen.

  • Welche Maßnahmen halten Sie zur Verbesserung der Bundeswehr geeignet?

Man muss an mehreren Punkten ansetzen. Ich halte eine Reform des Beschaffungsprozess, aber auch eine bessere personelle Ausstattung des Beschaffungsamtes BAAINBw für zwingend notwendig. Wir haben ja beim Großgerät nicht grundsätzlich immer zu wenig, sondern vor allem zu wenig, das funktioniert. Die Probleme beim Großgerät zeigen, dass wir bessere Verträge zur Instandhaltung mit der Industrie brauchen. Gleichzeitig müssen die Lücken in der Ausstattung, die in den vergangenen Jahren der Friedensdividende entstanden sind, sukzessive geschlossen werden. Damit können wir aber nicht warten bis die Reformen innerhalb der Bundeswehr und der Bundeswehrverwaltung wirken und sie effizienter arbeiten. Wir müssen jetzt sofort damit anfangen, damit wir unsere Pflichten gegenüber unseren Bündnispartnern auch in den kommenden Jahren erfüllen können.

Beim Personal wird es darum gehen, dass die Bundeswehr attraktiver wird. Wir haben bereits hervorragende Soldatinnen und Soldaten. Doch die Bundeswehr hat ähnliche Probleme wie viele Unternehmen: Die geburtenstarke Jahrgänge gehen in den Ruhestand und es kommen zu wenige junge Menschen nach. Attraktiv wird die Bundeswehr aber nicht, so lange man den Eindruck gewinnen muss, dass dort eh nichts funktioniert und es an der persönlichen Ausstattung mangelt. Wie in fast allen Bereichen kann der Staat nicht die gleichen finanziellen Möglichkeiten bieten, wie die Privatwirtschaft. Dieser Nachteil muss durch andere Vorzüge wieder ausgeglichen werden. Es gibt bei der Bundeswehr außerdem viele Aufgaben und Laufbahnen, die mit der klassischen Vorstellung eines Soldaten im Flecktarn und mit Maschinengewehr wenig zu tun haben – genannt sei nur der junge Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum. Die Bundeswehr muss bei der Rekrutierung solche Bereiche stärker hervorheben. Vielleicht sollte man auch darüber nachdenken, ob die dort eingesetzten Personen zwingend Soldatinnen und Soldaten sein müssen.

  • Wie sehen Sie noch nach der türkischen Offensive genehmigte Rüstungsgeschäfte Deutschlands?

Wir haben uns seit dem Beginn der militärischen Offensive der Türkei in Syrien für einen sofortigen Genehmigungsstopp eingesetzt, da die Offensive völkerrechtlich mindestens fragwürdig ist. Diese Meinung vertreten wir auch weiterhin. Bei der Türkei handelt es sich um einen NATO-Partner, für die grundsätzlich andere Regeln beim Rüstungsexport gelten als für Drittstaaten. Nichtsdestotrotz können wir ein solches Vorgehen nicht einfach hinnehmen, sondern müssen angemessen reagieren.

  • Was sagen Sie zur breiteren Einbeziehung des Weltraums als Konfliktort?

Der Weltraum wird mit Sicherheit noch eine größere Rolle spielen, auch wenn es erstmal nach Science Fiction klingt. Darunter sollte man sich aber keine galaktischen Schlachten mit Laserkanonen vorstellen. Ähnlich wie bei der Cyberabwehr geht es vor allem darum, die vorhandene Infrastruktur zu sichern. Denn sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich gibt es viele satellitengestützte Systeme. Von direkten bewaffneten Konflikten im Weltall gehe ich zurzeit aber nicht aus.

  • Sollen amerikanische Atomwaffen weiter in DE gelagert werden? Warum?

Ich bin grundsätzlich für eine stärkere nukleare Abrüstung in allen Ländern. In der aktuellen Situation halte ich einen Abzug der amerikanischen Atomwaffen aber nicht für den richtigen Schritt. Für eine solche Abrüstung ist ein anderes sicherheitspolitisches Umfeld nötig als das, welches wir es derzeit vorfinden.

  • Wo sollte KI einbezogen werden?

Die Künstliche Intelligenz wird in den kommenden Jahren auch in der Wehrtechnik eine immer größere Bedeutung erlangen. Ihre Nutzung kann dazu dienen, die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten zu erhöhen. Daten können rasend schnell ausgewertet und zu einem Bild zusammengefügt werden. Eingesetzt werden kann sie vor allem in der Aufklärung und dem Erkennen von Gefahren. Die Grenze ziehe ich ganz klar dort, wo die Künstliche Intelligenz über Leben und Tod, also über den Waffeneinsatz entscheiden soll. Das darf und wird es in der Bundeswehr nicht geben. Auch die Staatengemeinschaft sollte sich dazu ganz klar bekennen und die Ächtung von sogenannten „Killerrobotern“ beschließen, da ihr Einsatz gegen das Völkerrecht verstößt.

  • Als 14-35jähriger Liberaler aus NRW: Wie kann ich mich in Verteidigungspolitik einbringen?

Als Parteimitglied über den Fachausschuss Internationale Politik, den es sowohl auf Landes-, als auch auf Bundesebene gibt, oder über die entsprechenden Arbeitskreise auf Kreisverbandsebene. Ansonsten nehmen meine Kollegen aus dem Verteidigungsausschuss Marcus Faber, Alexander Müller, Christian Sauter und ich natürlich gerne Anregungen entgegen. Insgesamt ist mir wichtig, dass wieder mehr über die Bundeswehr und ihre Aufgaben gesprochen und diskutiert wird. Die Armee steht in der Mitte unserer Gesellschaft, wird aber von vielen ausgeblendet oder als etwas Unangenehmes empfunden. Wir brauchen an dieser Stelle wieder mehr Offenheit in der Debatte. Dazu kann jeder Einzelne seinen Beitrag leisten.

Christoph Liesen aus Unna freut sich auf Digitalisierung und ist jederzeit für Automobiles sowie Internationale Politik zu haben.